„Women-only“ – oder warum es nicht lohnt, auf jeden Zug aufzuspringen

Kurz habe ich mich gefragt, wie vielen Männern sich wohl ein enttäuschtes Seufzen entrungen hat, als sie lesen mussten, dass sie beim Kreativen Servietten-Workshop nicht dabei sein dürfen. Schließlich ist es Frauentag – und wie „Women only“ es unbarmherzig direkt sagt: Es ist eine Veranstaltung nur für Frauen. Endlich einmal unter uns sein und gemeinsam Servietten falten. Dass der Tag für Gleichberechtigung, Wahlrecht für Frauen und Emanzipation steht… na ja, lassen wir das.

Diese Veranstaltungsankündigung finde ich aus kommunikativer Sicht spannend, weil sie ein häufiges Problem zeigt. Die Idee, Gedenk- und Aktionstage sowie jahreszeitliche Anlässe in der Kommunikation zu nutzen, ist nicht wirklich neu, muss deshalb aber nicht gleich schlecht sein. Kommunikation, vor allem Pressearbeit, lebt von Kontinuität. Da echte Neuigkeiten in Unternehmen und Organisationen jedoch selten sind, lassen sich mit etwas Kreativität und Erfahrung im professionellen Storytelling Aktions- oder Thementage und Jahreszeiten gut für die Kommunikation nutzen. Also beherzt auf diesen Zug aufspringen?

Wie bei allen Kommunikationsaktivitäten – intern wie extern – stelle ich als erstes die Frage: Sind der Aktionstag und das mögliche Thema relevant für die Empfänger:innen? Was interessiert denn Ihre Zielgruppe? Im Falle der externen Kommunikation auch: Welche Medien (inklusive Social Media-Kanäle) nutzt denn Ihre Zielgruppe? Wenn Sie Medien identifiziert haben: Passt Ihr Thema denn auch zu den Formaten? Ist der Gedenk- oder Aktionstag wirklich relevant für mein Unternehmen, mein Produkt, Organisation oder Branche? Alles ganz im Sinne des nie alt werdenden Prinzips „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“. Wenn Ihr Angebot ein appetitlicher Happen ist - nutzen Sie den Anlass!

Ein Praxisbeispiel aus meiner Arbeit für die PFH Private Hochschule Göttingen: Im Austausch mit einer Psychologie-Professorin sind wir auf eines ihrer Forschungsprojekte zur Nomophobie gestoßen. Nomophobie steht für "no mobile phone phobia." Sie tritt vor allem bei exzessiver Smartphone-Nutzung auf und beschreibt die Angst, ohne das eigene Smartphone nicht erreichbar zu sein. Die an der Hochschule durchgeführte Studie konnte zeigen, dass Nomophobie auch in Deutschland weit verbreitet ist. Jede und jeder, der die Frage nach mehr als zwei Stunden Smartphone-Nutzung pro Tag mit „ja“ beantwortet, ist potenziell betroffen. Ja - auch ich fühlte mich sofort ertappt.

Wir haben das Themenangebot 2023 passend zur beginnenden Fastenzeit versendet – und es hat medial enormen Widerhall gefunden: sowohl in Tages- als auch Publikumspresse, auf Online-Portalen und im TV – und zwar ganzjährig. Noch bis heute kommen Beiträge, in denen die Studie und die Hochschule genannt werden. Hier kamen - neben der Passgenauigkeit zur Fastenzeit - auch weitere Aspekte hinzu: Nahezu jede bzw. jeder mit einem Smartphone ist potenziell betroffen - also eine sehr große Zielgruppe. Das machte das Thema auch für beinahe alle Medientitel und -gattungen interessant. Zudem haben seriöse Forschungsthemen und Studien- oder Umfrageergebnisse meist eine hohe Glaubwürdigkeit. Auf den Zug mit aufzuspringen, kann also durchaus lohnend sein.

Einen Überblick über Gedenk- und Aktionstage finden Sie unter anderem bei Wikipedia