Es ist nie zu spät – und die Frage nach dem „Cherrypicking“

Es sei nie zu spät für ein glückliches „altes“ Jahr habe ich kürzlich gelesen, bei einem Instagram-Post eines Coaches. Wie bewerte ich zurückliegende Ereignisse? Wie viel Raum gebe ich negativen Erlebnissen und Erfahrungen? Im konkreten Fall ging es um die Fokussierung auf die vielen positiven, zuversichtlich stimmenden Erlebnisse und das Herausstellen dieser – um damit das alte Jahr in der Wahrnehmung in ein gutes Licht zu rücken.

Ereignisse in ein gutes Licht zu rücken – das gehört auch zur Kommunikationsarbeit. Welche Fakten nutze ich für die Unternehmenskommunikation? Schreibe ich eine Pressemitteilung über eine Studie oder Umfrage, so betone ich die Ergebnisse, die meinem Kommunikationsziel dienen. Häufig stellt sich dabei die Frage, wie viel „Cherrypicking“ erlaubt ist? Lasse ich Fakten unerwähnt, die das gesamte Ergebnis verfälschen? Ist es noch eine repräsentative Befragung, wenn die Stichprobe viel zu klein ist? Um eine gute Nachricht zu platzieren, sollte man sich als Unternehmen nicht hinreißen lassen, seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen.

Auch in der internen Kommunikation stößt man immer wieder auf diese Herausforderungen. Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung wurden in einigen Bereichen gute Ergebnisse erzielt, aber beispielsweise bei der Frage nach der Zufriedenheit mit den Führungskräften waren die Antworten eher vernichtend? Das in der internen Kommunikation unter den Tisch fallen zu lassen, richtet aus meiner Sicht mehr Schaden an, als offen das Ergebnis zu diskutieren. Mitarbeitende wissen nicht nur, was sie geantwortet haben, sie nehmen zudem sehr wohl wahr, wie es um diese Themen im Unternehmen bestellt ist. Sowohl das Weglassen als auch das „Frisieren“ von Ergebnissen interner Befragungen macht vor allem eines: Es zerstört das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit. Hingegen werden der Mut zur Offenheit, der Mut, Fehler einzugestehen und Transparenz belohnt. Denn das macht glaubwürdig und stärkt das Vertrauen.

Gerade kontroverse Themen dürfen kontrovers diskutiert werden. Und sie sollten als Chance begriffen werden, da sie Führungskräften und Kommunikator:innen wertvolle Einblicke ermöglichen und die Chance bieten, diese seitens des Unternehmens aufzugreifen. Die Mitarbeitenden spüren, wenn ihnen zugehört wird und die Themen der internen Kommunikation einen Bezug zu ihrer Lebenswirklichkeit und ihrem Arbeitsalltag besitzen. War das Unternehmen an einem Projekt beteiligt, das in der Öffentlichkeit kritisch diskutiert wird? Erläutern Sie Ihren Blick auf die Sache, wie die Beteiligung des Unternehmens aussah, welche Aspekte man gegeneinander abgewogen hat. Geben Sie Ihren Mitarbeitenden Fakten und Hilfestellung an die Hand, damit sie im Familien- und Freundeskreis wissen, wie sie argumentieren können.

Und nicht zu vergessen: Haltung. Angesichts der Informationsflut im digitalen Raum und der Tatsache, dass Informationen und Botschaften nahezu inflationär abgesendet werden und sich nicht immer zweifelsfrei bestimmen lässt, welche Intentionen damit verbunden sind, besteht in der heutigen Zeit eine tiefe Sehnsucht nach Haltung. Menschen nehmen sich Persönlichkeiten zum Vorbild, die authentisch dafür stehen, was sie sagen und vorgeben zu sein. Ähnlich ist es mit Organisationen. Ohne authentische Werte und klare Haltungen können Unternehmen immer weniger begründen, warum Mitarbeitende sich für sie einsetzen und mit ihnen identifizieren sollten.

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